Die Synagoge

Die SYNAGOGE IN DĚČÍN

Die Synagoge ist von alters her ein Raum für den gemeinsamen Gottesdienst und zugleich ein Ort der  Begegnungen von Menschen, ein natürlicher Mittelpunkt, Sitz und zweifellos auch ein Symbol jeder jüdischen Gemeinde.

Die Synagoge in Děčín ist nicht nur eine unübersehbare Dominante ihrer unmittelbaren Umgebung, sie zieht auch durch ihre Lage auf dem abfallenden Terrain am Fuß der Schäferwand die Blicke der Menschen sogar im relativ entfernten Stadtzentrum an. In Anbetracht der Ereignisse, die mit der nazistischen Okkupation des damaligen tschechoslowakischen Staates zusammenhingen, stellt die Synagoge heute im ganzen nordböhmischen Grenzgebiet ein in ihrer Art einzigartiges Denk- und Mahnmal dar.

Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Podmokly (Bodenbach) und in Děčín (Tetschen)

Den Archivquellen kann man entnehmen, daß schon seit dem 16. Jh. auf dem Gebiet des heutigen Děčíner Kreises vereinzelte jüdische Kaufleute ihr Gewerbe betrieben haben. Einen größeren Zuzug von jüdischen Kaufleuten und Unternehmern jedoch brachte die 1851 von Prag über Děčín und Dresden nach Berlin gebaute Eisenbahnlinie. Seit 1874 pflegten sich die hiesigen Juden zum Gottesdienst in Wohnungen ihrer Glaubensgenossen zu versammeln. Am 30. Juli 1887 wurde hier die erste jüdische Gemeinde gegründet. Sie zählte damals 162 Mitglieder. Unter deren Begründern waren Siegmund Brauner und Karl Heller aus Děčín, Gottfried Pick und Moritz Frankl vom Weiher. Zum ersten Vorsitzenden der Gemeinde wurde der Fabrikant Adolf Pächter, der  – nebst anderem – im Areal seiner Knopffabrik einen Gartenpavillon als einen provisorischen Tempel errichten ließ. Nachdem diese Räume den hiesigen Juden nicht mehr genügten, wurde der Tempel ins damalige Thunsche Zeughaus (heute das Archivgebäude) und zuletzt in die Volkshalle (heute Haus der Kinder und Jugend) an der Teplitzer Straße verlegt. 1888 wurde die traditionelle Begräbnisbrüderschaft Chevra Kadischa gegründet und zu ihrem ersten Vorsitzenden Gottfried Pick gewählt. Die Chevra Kadischa übernahm auch die Verwaltung des jüdischen Friedhofs (Ausmaß von 2000 m2), der jedoch in den Jahren 1890-1891 zu einem Bestandteil des Stadtfriedhofs in Podmokly wurde. 1888 begann in Podmokly der erste jüdische Religionslehrer Adolf Lederer seine Tätigkeit. Er wirkte in Děčín, Podmokly, Jílové (Eulau), Benešov (Bensen), Verneřice (Wernstadt) und in Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz) bis zu seiner Versetzung nach Chlumec (Kulm). Der erste Rabbiner war Max Freund (gest. 1918), nach ihm nur für ein Jahr Dr. J. Krengler, und seit 1919 übte dieses Amt Dr. Oskar Karpelis aus.

Im Jahre 1915 starb der Vorsitzende der Gemeinde, Fabrikant Adolf Pächter, und diese Funktion bekleidete dann sein Sohn Alfred. Nach ihm übernahm den Vorsitz der Gemeinde der  Děčíner Kaufmann Alois Zirkel. 1927 hatte die Jüdische Gemeinde in Děčín – Podmokly 400 , und 1930 schon 423 Mitglieder. In der Jüdischen Gemeinde arbeiteten 11 Fachkommissionen. Der Gemeinde stand Jacob Lemberg vor.

Nach den Ereignissen im Jahre 1938 hörte die Jüdische Gemeinde in Děčín – Podmokly auf zu existieren.

Unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges kann keine Aktivität der Jüdischen Gemeinde in Děčín nachgewiesen werden. Den lückenhaften Materialien kann leider nur wenig entnommen werden. Nach den von Jan Marek gesammelten Angaben fand der letzte Gottesdienst in der Synagoge 1964 statt.

Erst am 5. November 1993 beruft ein Vorbereitungskomité, geführt von Vilém Markovič und Jan Marek, die Děčíner Juden ein und fordert diese zur Erneuerung der Tätigkeit in der Jüdischen Gemeinde auf. Zum Vorsitzenden der Gemeinde wurde Vilém Markovič gewählt, während Jan Marek mit der Bearbeitung der jüdischen Geschichte in Děčín begann. Da der jüdische Friedhof in Podmokly wegen einer Erweiterung eines Industrieareals liquidiert werden mußte, erhielt die Jüdische  Gemeinde als Ersatz ein Grundstück in Folknáře (Falkendorf) am Rande der Stadt, wohin dann die sterblichen Überreste von dem alten Friedhof in Podmokly überführt wurden. Zur Zeit verwaltet die Jüdische Gemeinde den jüdischen Friedhof aus dem 16. Jahrhundert in Česká Lípa. In Zusammenarbeit mit den Vertretern der Stadtverwaltung in Česká Lípa gelang es den Friedhof zu rekonstrurieren und damit der Öffentlichkeit ein einmaliges Kulturdenkmal zu erhalten.    Seit 1997 bis 2017 sass der Jüdischen Gemeinde in Děčín Herr Vladimír Poskočil vor. Vor allem in der Zeit seines Gemeindevorsitzes wurde die Synagoge restauriert. Ihm folgte sein Sohn Robert Poskočil. Aktuell wird die Gemeinde von Herrn František Comorek geleitet.

Trotz der unersetzlichen Verluste und der grausamen Quälerei in der Vergangenheit wurde die Jüdische Gemeinde Děčín und die Synagoge barúch ha Schemzum neuen Leben erweckt.

Die Geschichte der Synagoge in Děčín

Im Jahre 1892 nur kurze Zeit nach der Konstituierung der Jüdischen Gemeinde – wurde mit der Spendenaktion für den Aufbau der Synagoge in Podmoklybegonnen. Für diesen Zweck haben zahlreiche jüdische Unternehmer und Mäzene beträchtliche Summen gespendet. Sobald 1901 der Verein für den Aufbau der, konnten gleich Verhandlungen mit Immobilienbesitzern beginnen. Die Jüdische Gemeinde kaufte in der heutigen Žižkova-Straße von dem Deutschen Turnverein ein nicht zu großes Gartengrundstück, wo eine kleine Turnhalle stand. Dort hat die Firma Putz und Weber die Synagoge im Jugendstil mit orientalischen Bauelementen für 100 000 österr. Kronen erbaut.

1907 war der Bau fertig, und am 1. September 1907 weihte der Rabbiner Max Freund die neue Synagoge mit folgenden Worten ein: „ Dieser Tag ist der höchste, den die Gemeinde feierlich begehen kann. Nicht aber wegen des Hochmuts und Ruhms, sondern als unsere Dankesbezeigung an Gott, denn nur er hat diesen neuen Tempel geschaffen. Unsere Gemeinschaft hat doch die Aufgabe, unseren Glauben auch für künftige Generationen zu erhalten.“ Nach Ablauf vieler Jahre verlieren diese Worte nichts von ihrer Bedeutung.

Zur Zierde der neuen Synagoge fertigte die Firma Palme in Kamenický Šenov (Steinschönau) einen wunderschönen großen Kronleuchter aus Bleikristall an. Der wesentliche Tempelteil war aber die Thora – Rolle, die in einem künstlerisch bearbeiteten Thora-Schrein  – aron ha-kodesch – untergebracht war. Elf Bänke in zwei Reihen boten 110 Männern die Möglichkeit, am Gottesdienst teilzunehmen. Der Balkon mit Plätzen für Frauen war durch eine Gußwendeltreppe zugänglich. Im zweiten Stock des Gebäudes befand sich die Wohnung des Schammes.

Die Synagoge in Podmokly entging dem traurigen Schicksal, das viele Synagogen in Böhmen und Mähren, vornehmlich im einstigen Sudetenland, getroffen hatte. Für ihre Erhaltung soll während der „Kristallnacht“ der damalige Bürgermeister der Städte Děčín – Podmokly JUDr. Anton Kreissl (gest. 30. 6. 1945 in Rabštejn/Rabstein) persönlich interveniert haben. Diesen seinen Eingriff begründete er dadurch, daß die Entzündung der Synagoge die umliegenden Häuser beschädigen könnte. Auch sein Nachfolger, der Bürgermeister Julius Stumpf (1939-1942) wurde ebenso dem nachhaltigen Druck, das Gebäude der Synagoge niederreißen zu lassen, ausgesetzt. Wichtig ist aber, daß er es nie gestattet hat. Einmal argumentierte er mit dem Mangel an Arbeitskräften, ein andersmal wieder mit der Ausnutzung der Räume im Gebäude. Am Anfang der nazistischen Okkupation wurde aus der aller religiösen Symbole beraubten Synagoge ein Lagerhaus der Wehrmacht. Im Jahre 1941 errichtete man da eine HJ-Werkstatt, wo die Jungen an Flugzeugmodellen bastelten, und schließlich war in dem Gebäude wieder ein Militärlagerraum.

Aus der Nachkriegszeit finden sich fast keine schriftlichen Materialien, die irgendeine Tätigkeit oder Ausnutzung der Synagoge dokumentieren könnten. Ausnahmen sind nur einige Verträge: Am 7. Oktober 1966 schloß das synagogale Kollegium mit dem damaligen Kreisnationalausschuß (Kreisamt) einen Mietvertrag auf die Dauer von 25 Jahren ab. Ein Jahr danach zog in die Synagoge das Kreisarchiv ein. Am 1. Dezember 1987 verkaufte die Jüdische Gemeinde das Gebäude der Synagoge dem Stadtamt in Děčín für 100 000 Kčs.

Im Jahre 1993 bot dieses Amt den Juden einige Räume in der Synagoge zur Benutzung, und am 14. 6. 1994 kam es zur Unterzeichnung der Schenkungs urkunde, durch die der Kreisnational- ausschuß die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Děčín schenkte.

Das Gebäude der Synagoge war jedoch in einem ziemlich trostlosen Zustand. Aus den Interieur verschwand im Verlauf der Zeit die gesamte Ausstattung einsschließlich des Wichtigsten – der Thora. Es sind dort nur kahle Wände erhalten geblieben. Am 18. April 1996 hat die Staatliche Denkmalschutzanstalt die Děčíner Synagoge in die Zentralliste der Kulturdenkmäler in Tschechien eingetragen. Am 30. 6. 1996 ist aus den synagogalen Räumen das Kreisarchiv ausgezogen.

Im Jahre 1997 wurde entschieden, die Rekonstruktion der Synagoge in Angriff zu nehmen, damit diese sowohl den religiösen als auch den kulturellen und gesellschaftlichen Zwecken der Jüdischen Gemeinde, sowie der breiten Öffentlichkeit wieder dienen kann. Umfangreiche Rekonstruktionsarbeiten werden immer noch fortgesetzt. Ein nicht kleines Problem war und ist bisher natürlich die Sicherstellung der notwendigen Finanzmittel. Die bisher vollendeten Arbeiten konnten nur mit Beihilfe der Föderation der Jüdischen Gemeinden in Prag, des Kulturministeriums der Tschechischen Republik, des Kreisamtes, des Stadtamtes Děčínund vieler großer sowie kleinerer Sponsoren ausgeführt werden.

Die Gegenwart

Keine jüdische Gemeinschaft könnte ohne Erhaltung der religiösen Traditionen bestehen. Der Inhalt dieser Traditionen ist der Judaismus – in Děčín gibt es seine liberale Richtung. Die hiesige Jüdische Gemeinde bemüht sich, die bedeutsamsten jüdischen Festtage für ihre Mitglieder feierlich zu begehen. Es sind Rosch haschana (Neujahr), Jom Kippur (Tag der Versöhnung), Sukot (Laubhüttenfest), Chanuka (Festtag der Lichter), Purim (Festtag der Lose) oder Pesach (Tag, der an die Befreiung der Juden aus der ägyptischen Sklaverei erinnert). In Zusammenarbeit mit dem Schulministerium der Tschechischen Republik und dem Bildungs- und Kulturzentrum des Prager Jüdischen Museums nimmt die Jüdische Gemeinde Děčín an der Erziehungs- und Bildungstätigkeit für Kinder und Jugentliche teil. Im Rahmen dieses Projekts verlaufen Unterrichtsprogramme, Vorträge, Exkursionen, gesellige Abende und verschiedene Kulturveranstaltungen.

In der Synagoge werden Konzerte – oft mit internationalen Solisten – gegeben sowie Ausstellungen – gemeinsam mit dem Museum aus Terezín (Theresienstadt), dem Prager Jüdischen Museum, der Botschaft des Staates Israel u. a. veranstaltet.

Wie bereits gesagt, ist der Mittelpunkt jeder jüdischen Gemeinde – die Synagoge. Die Synagoge in Děčín ist nicht nur ein bedeutendes Religions- und Bildungszentrum für mehr als 100 Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinde sondern auch ein wichtiger kultureller Ort für die ganze Stadt Děčín.